EFAS: Die Reform für eine einheitliche Finanzierung im Schweizer Gesundheitswesen
Wie die einheitliche Finanzierung ambulanter und stationärer Leistungen das Gesundheitssystem verändern könnte
Das Schweizer Gesundheitswesen steht vor bedeutenden Veränderungen. Mit der Reform EFAS – der Einheitlichen Finanzierung ambulanter und stationärer Leistungen – soll ein entscheidender Schritt in Richtung Effizienz und Patientenzentrierung getan werden. Doch was genau verbirgt sich hinter dieser Reform, warum ist sie notwendig, und welche Auswirkungen hat sie auf Patienten, Kantone, Versicherer und Leistungserbringer? In diesem Artikel geben wir einen umfassenden Überblick über EFAS und beleuchten die Chancen und Herausforderungen dieser bedeutenden Reform.
1. Was ist EFAS?
EFAS steht für Einheitliche Finanzierung ambulanter und stationärer Leistungen. Es handelt sich um eine Reform des Schweizer Gesundheitssystems, die darauf abzielt, die Finanzierung aller medizinischen Leistungen – ob ambulant, stationär oder pflegerisch – nach einem einheitlichen Schlüssel zu gestalten. Ziel ist es, die bisherige Trennung in der Finanzierung zu überwinden und so Fehlanreize zu beseitigen, die durch unterschiedliche Kostenbeteiligungen entstanden sind.
2. Warum ist die Reform notwendig?
Aktuell besteht im Schweizer Gesundheitswesen eine ungleiche Verteilung der Finanzierung:
- Stationäre Leistungen (z. B. Spitalaufenthalte mit Übernachtung) werden zu 55 % von den Kantonen und zu 45 % von den Versicherern finanziert.
- Ambulante Leistungen werden zu 100 % von den Versicherern getragen; die Kantone beteiligen sich nicht.
Diese Ungleichheit führt zu Fehlanreizen: Da Versicherer bei stationären Behandlungen nur einen Teil der Kosten tragen, kann es wirtschaftlich attraktiver sein, Patienten stationär zu behandeln, auch wenn eine ambulante Behandlung medizinisch sinnvoller und kostengünstiger wäre. Dies bremst die Verlagerung von stationären zu ambulanten Leistungen und behindert eine integrierte Versorgung.
3. Wie soll EFAS umgesetzt werden?
Die Umsetzung von EFAS ist in zwei Schritten geplant:
- Ab 2028: Ambulante und stationäre Leistungen werden nach einem neuen Schlüssel finanziert:
- Kantone: 24,5 %
- Versicherer: 75,5 %
- Ab 2032: Einbeziehung der Pflegeleistungen in die einheitliche Finanzierung:
- Kantone: mindestens 26,9 %
- Versicherer: maximal 73,1 %
Diese Umstellung soll sicherstellen, dass finanzielle Überlegungen weniger Einfluss auf die Wahl der Behandlungsart haben und stattdessen die medizinische Notwendigkeit im Vordergrund steht.
4. Auswirkungen auf Patienten und Versicherte
Für Patienten und Versicherte bleiben die Abläufe weitgehend unverändert:
- Sie erhalten weiterhin Rechnungen und leiten diese zur Kostenerstattung an ihre Versicherung weiter.
- Die persönliche Kostenbeteiligung (Franchise und Selbstbehalt) bleibt in ihrer maximalen Höhe gleich.
Mögliche Vorteile:
- Bedarfsgerechte Behandlung: Entscheidungen basieren stärker auf medizinischen Kriterien.
- Reduzierte Prämien: Durch die finanzielle Entlastung der Versicherer könnten Prämien stabilisiert oder gesenkt werden.
5. Veränderungen für Kantone und Versicherer
Für die Kantone:
- Mehr Kompetenzen im ambulanten Bereich: Sie können das Angebot und die Kostenentwicklung stärker steuern.
- Finanzielle Beteiligung an ambulanten Leistungen: Erhöhte finanzielle Verantwortung, aber auch mehr Einflussmöglichkeiten.
- Mitwirkung in Tariforganisationen: Beteiligung an der Ausgestaltung von Tarifen für ambulante und Pflegeleistungen.
Für die Versicherer:
- Gesamte Vergütung: Sie übernehmen zunächst die gesamte Vergütung und erhalten die Kantonsbeiträge über die Gemeinsame Einrichtung KVG zurück.
- Neue Tarifverhandlungen: Insbesondere im Pflegebereich müssen neue Tarife ausgehandelt werden.
- Förderung koordinierter Versorgung: Anreize für Modelle, die eine effiziente und integrierte Versorgung unterstützen.
6. Einfluss auf Leistungserbringer
Leistungserbringer wie Ärzte, Spitäler und Pflegeeinrichtungen werden weiterhin nach Tarifen entschädigt. Änderungen könnten sein:
- Anreize für ambulante Behandlungen: Durch die einheitliche Finanzierung könnte der ambulante Sektor gestärkt werden.
- Tarifverhandlungen: Neue Tarife müssen mit Versicherern und Kantonen ausgehandelt werden.
- Personaleinsatz: Verschiebungen von stationären zu ambulanten Leistungen könnten Personalressourcen freisetzen.
7. Kostenentwicklung und finanzielle Effekte
In den letzten Jahren sind die Kosten für Versicherer stärker gestiegen als für die Kantone, was zu höheren Prämien geführt hat. EFAS soll diese Entwicklung korrigieren:
- Ausgewogenere Kostenverteilung: Kantone beteiligen sich auch an ambulanten Kosten.
- Entlastung der Prämienzahler: Mögliche Stabilisierung oder Senkung der Krankenkassenprämien.
- Sparpotenzial: Effizientere Versorgung könnte insgesamt Kosten reduzieren.
8. Vorteile und Kritik an EFAS
Vorteile:
- Beseitigung von Fehlanreizen: Medizinische Notwendigkeit rückt in den Fokus.
- Förderung integrierter Versorgung: Bessere Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Leistungserbringern.
- Finanzielle Entlastung: Potenzielle Prämienreduktion für Versicherte.
Kritik und Herausforderungen:
- Komplexe Umsetzung: Viele Bedingungen müssen erfüllt sein; langwieriger Prozess.
- Bestehende Tarifkonflikte: EFAS löst nicht automatisch alle aktuellen Probleme in Tarifverhandlungen.
- Infrastrukturbedarf: Ausbau des ambulanten Sektors erfordert Investitionen.
- Belastung für stationäre Einrichtungen: Mögliche finanzielle Einbußen durch weniger stationäre Behandlungen.
9. Ausblick: Was bringt die Zukunft?
Die Volksabstimmung zur Einführung von EFAS ist für den 24. November 2024 geplant. Sollte die Reform angenommen werden, beginnt ein mehrjähriger Prozess der Umsetzung. Es bleibt abzuwarten, wie sich EFAS auf das Schweizer Gesundheitswesen auswirken wird und ob die erhofften Ziele erreicht werden.
Wichtige Fragen für die Zukunft:
- Wird EFAS tatsächlich zu einer effizienteren Versorgung führen?
- Wie werden sich die Prämien für die Versicherten entwickeln?
- Können die Leistungserbringer die erforderlichen Anpassungen erfolgreich umsetzen?
10. Fazit
EFAS stellt einen bedeutenden Reformschritt im Schweizer Gesundheitswesen dar. Durch die einheitliche Finanzierung könnten Fehlanreize beseitigt und eine patientenorientierte Versorgung gefördert werden. Trotz einiger Kritikpunkte und Herausforderungen bietet EFAS die Chance, das Gesundheitssystem effizienter und fairer zu gestalten.
Die Umsetzung erfordert jedoch die Kooperation aller Beteiligten. Nur durch eine gemeinsame Anstrengung von Kantonen, Versicherern, Leistungserbringern und Patienten kann EFAS zum Erfolg geführt werden.
Quellen:
- Bundesamt für Gesundheit, Volksabstimmung zur Änderung des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung (KVG) (Einheitliche Finanzierung der Leistungen), Link (letztes Abrufdatum: 10.10.2024)
- curafutura, Einheitliche Finanzierung, Link (letztes Abrufdatum: 10.10.2024)
- Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren, Einheitliche Finanzierung – Die Kantone empfehlen ein Ja, Link (letztes Abrufdatum: 10.10.2024)
- Bundesamt für Gesundheit, KVG-Änderungen: Einheitliche Finanzierung der Leistungen, Link (letztes Abrufdatum: 10.10.2024)
- Ja zur einheitlichen Finanzierung, Link (letztes Abrufdatum: 10.10.2024)