DiGA, DiPA und Co: Gesundheits-Apps im Überblick
Wie digitale Anwendungen das Gesundheitswesen revolutionieren und was Sie darüber wissen sollten
Die Digitalisierung hat das Gesundheitswesen in den letzten Jahren stark verändert. Gesundheits-Apps sind aus dem Alltag vieler Menschen nicht mehr wegzudenken. Sie helfen uns, unsere Fitness zu tracken, erinnern uns an die Einnahme von Medikamenten oder unterstützen uns bei der Bewältigung chronischer Krankheiten. Doch der Begriff "Gesundheits-App" ist nicht geschützt, und die Qualität sowie der Nutzen dieser Apps können stark variieren. Mit der Einführung von Digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA) und Digitalen Pflegeanwendungen (DiPA) hat der Gesetzgeber in Deutschland einen Rahmen geschaffen, der Patienten geprüfte und sichere digitale Anwendungen zur Verfügung stellt. In diesem Artikel erhalten Sie einen umfassenden Überblick über DiGA, DiPA und andere Gesundheits-Apps, ihre Vorteile und Nachteile sowie Beispiele für deren Einsatz.
1. Was sind Gesundheits-Apps?
Der Begriff Gesundheits-App ist weit gefasst und nicht rechtlich geschützt. Im Allgemeinen versteht man darunter Anwendungen, die auf Smartphones, Tablets oder Computern installiert werden können und die Gesundheit oder das Wohlbefinden unterstützen sollen. Beispiele sind:
- Fitness-Apps: Zählen Schritte, messen den Kalorienverbrauch oder bieten Trainingsprogramme an.
- Ernährungs-Apps: Helfen bei der Planung von Mahlzeiten oder verfolgen die Nährstoffaufnahme.
- Schlaftracker: Überwachen den Schlaf und geben Tipps zur Verbesserung der Schlafqualität.
- Medikations-Apps: Erinnern an die Einnahme von Medikamenten.
Diese Apps können hilfreich sein, doch ihre Qualität und der medizinische Nutzen sind oft unklar. Es fehlt an standardisierten Prüfungen oder Zertifizierungen.
2. DiGA: Digitale Gesundheitsanwendungen
Definition und Ziele
Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) sind medizinische Apps, die vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) geprüft und in ein offizielles Verzeichnis aufgenommen wurden. Sie dienen dazu:
- Krankheiten zu erkennen, zu überwachen oder zu behandeln.
- Therapien zu unterstützen.
- Patienten in ihrem Selbstmanagement zu stärken.
DiGA werden oft auch als "Apps auf Rezept" bezeichnet, da sie vom Arzt verschrieben werden können und die Kosten von der Krankenkasse übernommen werden.
Zulassungsverfahren und Anforderungen
Damit eine App als DiGA zugelassen wird, muss sie strenge Kriterien erfüllen:
Zulassung als Medizinprodukt: Die App muss als Medizinprodukt der Risikoklasse I oder IIa nach der europäischen Medizinprodukteverordnung (MDR) zertifiziert sein.
CE-Kennzeichnung: Sie bestätigt, dass das Produkt den grundlegenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen entspricht.
Nachweis positiver Versorgungseffekte: Der Hersteller muss durch Studien belegen, dass die Anwendung einen medizinischen Nutzen oder patientenrelevante Verfahrens- und Strukturverbesserungen bietet.
Datenschutz und Sicherheit: Die App muss hohe Standards beim Datenschutz erfüllen und sicher vor unbefugtem Zugriff sein.
Aufnahme ins DiGA-Verzeichnis: Nach Prüfung durch das BfArM wird die App in das DiGA-Verzeichnis aufgenommen und ist damit offiziell zugelassen.
Kostenübernahme durch Krankenkassen
Ärztliche Verordnung: Der Patient erhält ein Rezept für die DiGA, das er bei seiner Krankenkasse einreicht.
Direktantrag: In einigen Fällen kann der Patient die DiGA auch direkt bei der Krankenkasse beantragen, wenn eine entsprechende Diagnose vorliegt.
Kostenerstattung: Die gesetzlichen Krankenkassen sind verpflichtet, die Kosten für zugelassene DiGA zu übernehmen.
3. DiPA: Digitale Pflegeanwendungen
Definition und Ziele
Digitale Pflegeanwendungen (DiPA) sind digitale Produkte oder Dienstleistungen, die Pflegebedürftige oder ihre Angehörigen unterstützen. Ziele sind:
Förderung der Selbstständigkeit: Unterstützung bei alltäglichen Aufgaben und Steigerung der Lebensqualität.
Entlastung von Pflegepersonen: Durch Anleitung und Unterstützung können pflegende Angehörige entlastet werden.
Unterschiede zu DiGA
Keine Medizinprodukte: DiPA müssen nicht zwingend als Medizinprodukte zertifiziert sein.
Zulassung: Sie werden ebenfalls vom BfArM geprüft und in ein eigenes Verzeichnis aufgenommen.
Zielgruppe: DiPA richten sich an Pflegebedürftige und deren Umfeld, während DiGA auf die medizinische Behandlung von Patienten abzielen.
Kostenübernahme durch Pflegekassen
Leistungen der Pflegeversicherung: Die Kosten für anerkannte DiPA werden von den Pflegekassen übernommen.
Antragstellung: Pflegebedürftige oder ihre Angehörigen können die Kostenübernahme bei ihrer Pflegekasse beantragen.
4. Vorteile und Herausforderungen von DiGA und DiPA
Vorteile
Niedrigschwelliger Zugang zu medizinischer Unterstützung: Patienten können orts- und zeitunabhängig auf therapeutische Angebote zugreifen.
Personalisierte Therapie: Viele Apps passen sich individuell an den Nutzer an und bieten maßgeschneiderte Inhalte.
Entlastung des Gesundheitssystems: Durch Selbstmanagement und digitale Unterstützung können Ressourcen im Gesundheitswesen effizienter genutzt werden.
Kontinuierliche Begleitung: DiGA und DiPA ermöglichen eine kontinuierliche Betreuung außerhalb von Praxen oder Kliniken.
Motivation und Compliance: Interaktive Elemente und Feedback können die Motivation erhöhen, Therapien konsequent durchzuführen.
Herausforderungen und Risiken
Datenschutz und Sicherheit: Sensible Gesundheitsdaten müssen geschützt werden. Es besteht das Risiko von Datenlecks oder Missbrauch.
Evidenzbasierung: Obwohl ein Nachweis positiver Versorgungseffekte erforderlich ist, variieren die Qualität und Aussagekraft der Studien.
Digitale Kompetenz: Nicht alle Patienten sind mit digitalen Technologien vertraut, was die Nutzung erschweren kann.
Technische Barrieren: Fehlende oder instabile Internetverbindungen können die Nutzung einschränken.
Akzeptanz bei Ärzten und Therapeuten: Es besteht teilweise Unsicherheit oder Skepsis gegenüber digitalen Anwendungen.
5. Beispiele für DiGA
Im Folgenden werden einige zugelassene DiGA vorgestellt, die verschiedene medizinische Bereiche abdecken.
HelloBetter Stress & Burnout
Anwendung: Unterstützung bei Stress und Burnout durch kognitive Verhaltenstherapie.
Funktionen:
- Online-Trainingsmodule mit Übungen und Techniken zur Stressbewältigung.
- Tagebuchfunktion zur Selbstreflexion.
- Interaktive Elemente zur Steigerung der Motivation.
Hersteller: GET.ON Institut für Online Gesundheitstrainings GmbH.
Plattform: Webanwendung, zugänglich über Browser.
Besonderheiten:
- Wissenschaftlich fundiert.
- Persönliche Betreuung durch Psychologen möglich.
vorvida
Anwendung: Reduktion von schädlichem Alkoholkonsum oder Alkoholabhängigkeit.
Funktionen:
- Analyse des Trinkverhaltens.
- Individuelle Zielsetzung und Fortschrittskontrolle.
- Strategien zur Rückfallprävention.
Hersteller: GAIA AG.
Plattform: Browserbasierte Webanwendung.
Besonderheiten:
- Anonym nutzbar.
- Basierend auf kognitiver Verhaltenstherapie.
Vivira
Anwendung: Physiotherapeutisches Trainingsprogramm für Rücken, Knie und Hüfte.
Funktionen:
- Tägliche Übungen mit Videoanleitungen.
- Anpassung der Übungen an das individuelle Leistungsniveau.
- Fortschrittsverfolgung.
Hersteller: Vivira Health Lab GmbH.
Plattform: Mobile App für Android und iOS.
Besonderheiten:
- Kann vor, während oder nach Physiotherapie genutzt werden.
- Entwicklung in Zusammenarbeit mit Physiotherapeuten und Orthopäden.
somnio
Anwendung: Behandlung von psychisch bedingten Schlafstörungen (nichtorganische Insomnie).
Funktionen:
- Schlafanalyse und -tagebuch.
- Module zur Verbesserung der Schlafhygiene.
- Entspannungstechniken und kognitive Strategien.
Hersteller: mementor DE GmbH.
Plattform: Mobile App für Android und iOS.
Besonderheiten:
- Erste DiGA im Bereich Schlafmedizin.
- Personalisierte Therapiepläne.
Kalmeda Tinnitus-App
Anwendung: Unterstützung bei chronischem Tinnitus durch Verhaltenstraining.
Funktionen:
- Übungen zur Veränderung der Wahrnehmung des Tinnitus.
- Entspannungstechniken.
- Wissensvermittlung über Tinnitus.
Hersteller: mynoise GmbH.
Plattform: Mobile App für Android und iOS.
Besonderheiten:
- Fokus auf die Reduktion von Stress und Störungsgefühl.
- Integrierte Audiotherapie.
6. Telematikinfrastruktur und weitere digitale Anwendungen
Was ist die Telematikinfrastruktur (TI)?
Die Telematikinfrastruktur (TI) ist das sichere digitale Netz des deutschen Gesundheitswesens. Sie vernetzt:
- Ärzte
- Zahnärzte
- Apotheken
- Krankenhäuser
- weitere Akteure im Gesundheitswesen
Ziel ist es, einen sicheren und effizienten Austausch von Gesundheitsdaten zu ermöglichen.
Anwendungen der TI
Elektronische Patientenakte (ePA):
- Patienten können medizinische Dokumente zentral speichern und verwalten.
- Ärzte und Therapeuten können bei Zustimmung darauf zugreifen.
Elektronisches Rezept (E-Rezept):
- Verschreibungen werden digital ausgestellt und eingelöst.
- Vereinfachung des Rezeptprozesses.
Kommunikation im Medizinwesen (KIM):
- Sicherer E-Mail-Dienst für den Austausch medizinischer Daten.
Notfalldatenmanagement:
- Speicherung wichtiger medizinischer Daten auf der elektronischen Gesundheitskarte.
Unterschiede zu DiGA und DiPA:
Fokus auf Infrastruktur: Die TI stellt die technische Basis für den Datenaustausch bereit.
Keine direkten Therapieangebote: Während DiGA und DiPA therapeutische Anwendungen sind, dient die TI der Vernetzung und Verwaltung.
7. Zukunft der digitalen Gesundheitsanwendungen
Trends und Entwicklungen
Künstliche Intelligenz (KI): Einsatz von KI zur personalisierten Therapie und Diagnoseunterstützung.
Wearables und Sensorik: Integration von Daten aus Wearables (z. B. Smartwatches) zur kontinuierlichen Gesundheitsüberwachung.
Interoperabilität: Verbesserung der Datenkompatibilität zwischen verschiedenen Systemen und Anwendungen.
Telemedizin: Ausbau von Fernbehandlungen und virtuellen Sprechstunden.
Regulatorische Entwicklungen
Anpassung der MDR: Fortlaufende Anpassungen der Medizinprodukteverordnung an digitale Produkte.
Datenschutzgesetze: Stärkung des Datenschutzes durch nationale und europäische Gesetzgebung.
Förderprogramme: Staatliche Initiativen zur Unterstützung von Innovationen im Gesundheitswesen.
8. Fazit
Die Digitalisierung bietet im Gesundheitswesen enorme Chancen. DiGA und DiPA ermöglichen es Patienten und Pflegebedürftigen, eigenständig und aktiv an ihrer Gesundheit und Pflege mitzuwirken. Sie ergänzen traditionelle Behandlungsformen und können zur Entlastung des Gesundheitssystems beitragen. Allerdings sind Datenschutz, Evidenzbasierung und Nutzerfreundlichkeit entscheidende Faktoren für den Erfolg dieser Anwendungen. Es ist wichtig, dass Patienten, Ärzte und Pflegekräfte informiert sind und die Möglichkeiten digitaler Anwendungen sinnvoll nutzen.
Empfehlungen:
Für Patienten:
- Informieren Sie sich über zugelassene DiGA im offiziellen Verzeichnis des BfArM.
- Sprechen Sie mit Ihrem Arzt über die Möglichkeit, eine DiGA zu nutzen.
- Achten Sie auf Datenschutz und prüfen Sie die Sicherheitsstandards der App.
Für Fachkräfte:
- Bleiben Sie auf dem Laufenden über neue digitale Anwendungen und deren Einsatzmöglichkeiten.
- Beraten Sie Ihre Patienten zu DiGA und DiPA, wenn diese einen Mehrwert bieten können.
- Nutzen Sie Fortbildungsangebote zum Thema digitale Gesundheit.
9. Weiterführende Links und Quellen
Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM):
Beispiel-Apps:
Gesetzliche Grundlagen:
Informationen zu DiPA:
Telematikinfrastruktur:
Über Medexcare.de
Medexcare.de ist Ihr Portal für aktuelle Informationen rund um Gesundheit, Pflege und digitale Innovationen im Gesundheitswesen. Wir informieren, beraten und unterstützen Sie auf Ihrem Weg zu mehr Gesundheit und Wohlbefinden.