Helfersyndrom: Selbstlosigkeit als Zwang: Wenn Hilfe zur Sucht wird
Wie kann man das Phänomen des Helfersyndroms erkennen? Welche Konsequenzen birgt es, und welche Lösungen stehen zur Verfügung, wenn man darunter leidet?
Was verbirgt sich hinter dem Begriff Helfersyndrom?
Der Terminus "Helfersyndrom" wurde von Wolfgang Schmidbauer geprägt. Es zeigt sich anhand folgender Merkmale:
- Individuen mit einem niedrigen Selbstwertgefühl sind betroffen.
- Ihr Selbstwertgefühl hängt stark von Dritten ab.
- Oft achten sie nicht auf die Bedürfnisse der Personen, denen sie helfen möchten, und drängen ihre Unterstützung auf.
- Sie erwarten Dankbarkeit und Anerkennung von den Menschen, denen sie helfen.
- Sie lehnen Hilfe ab.
- Ihre eigenen körperlichen Grenzen werden oft vernachlässigt.
- Eigene Bedürfnisse und Wünsche geraten in den Hintergrund.
Wie entsteht das Helfersyndrom?
Betroffene des sog. Helfersyndrom entwickeln bereits in ihrer Kindheit eine Abhängigkeit von der Anerkennung anderer. Sie fühlen sich nur dann geliebt, wenn andere ihnen dankbar sind und sie als bedeutsam erachten. Sie fühlen sich in der Rolle des Märtyrers wohl, der sich bedingungslos für andere aufopfert. Sie betrachten sich oft als besonders leidensfähig und selbstlos, um ihre eigene Selbstachtung zu steigern. Hier wird verstärkt ein mangelndes Ego kompensiert und man versucht sich durch Dritte besonders aufzuwerten. Schwerpunkt ist hier die Wahrnehmung Dritter durch die Stellvertreterperson.
Oft wird der Grundstein in der frühkindheitlichen Entwicklung gelegt. Eltern, die ihren Kindern die Schuld an ihren eigenen Gefühlen geben, vermitteln ihren Kindern die Botschaft: "Du musst die Verantwortung für die Gefühle anderer übernehmen."
Betroffene neigen dazu, in schlichten Mustern zu denken: Entweder sind sie gute Menschen, die immer bereit sind zu helfen, oder sie sind egoistisch, wenn sie ihre eigenen Bedürfnisse berücksichtigen. Hier fehlt immer die Distanz und wichtig ist das erleben durch Dritte und die Wahrnehmung durch Dritte, besonders die Anerkennung und die eigene Aufwertung.
Wie erkennt man ein Helfersyndrom? Die Folgen eines Helfersyndroms:
- Das Gleichgewicht zwischen Geben und Nehmen ist gestört; man gibt mehr, als man erhält.
- Man ignoriert die Bedürfnisse des Bedürftigen und bietet ungefragt Hilfe an.
- Erschöpfung und Überlastung sind häufige Begleiterscheinungen, da man sich selbst überfordert.
- Man kennt die Bedürfnisse und Wünsche des anderen besser als die eigenen.
- Depressionen können auftreten.
- Die Ablehnung von Unterstützung von anderen.
- Eigene Wünsche und Ziele verschwinden.
- Die Verwendung von Medikamenten oder Suchtmitteln, um mit der Belastung umzugehen.
Die Konsequenzen des Helfersyndroms und der Selbstlosigkeit können zu Burnout, Depressionen und psychosomatischen Erkrankungen führen. Es tritt besonders häufig in der Altenpflege, der Krankenpflege und in helfenden Berufen / Pflegeberufen auf.
Ist Helfen etwas Schlechtes?
Das Helfen von Menschen, die Unterstützung benötigen, ist grundsätzlich eine lobenswerte Tat. Es erfordert oft, vorübergehend eigene Interessen zurückzustellen, was völlig in Ordnung ist.
Probleme entstehen erst, wenn wir unsere eigenen seelischen und körperlichen Bedürfnisse vollständig vernachlässigen und die Interessen des Bedürftigen über die eigenen stellen, indem wir unsere Hilfe aufdrängen, auch wenn sie nicht gewünscht oder nicht in dem Maße benötigt wird, wie wir annehmen. Besonders in Pflegeberufen muss man immer eine professionelle Distanz waren um den Beruf des Pflegers langfristig auszuüben.
Was kann man tun, wenn man unter einem Helfersyndrom leidet?
- Sich von einem Helfersyndrom zu befreien, ist keine einfache Aufgabe. Der erste Schritt besteht darin, zu erkennen und zu akzeptieren, dass hinter der Hilfsbereitschaft oft egoistische Motive stecken.
- Hilfeleisten dient oft als Mittel zur Selbstbestätigung und zur Steigerung des Selbstwertgefühls. Es kann sein, dass wir den Bedürftigen mehr brauchen als sie uns. Diese Erkenntnis kann schmerzhaft sein.
- Wenn wir akzeptieren, dass unsere Hilfsbereitschaft in erster Linie unseren eigenen Bedürfnissen und Interessen dient, ist es wichtig herauszufinden, wie wir Anerkennung und Bestätigung auf andere Weisen finden können, ohne immer zu helfen.
- Eine psychotherapeutische Behandlung ist oft hilfreich, um Fragen wie "Wer bin ich, wenn ich nicht in der Rolle des Helfers bin?" und "Welche Wünsche habe ich für MEIN Leben?" zu klären.
- Das Ziel der Überwindung des Helfersyndroms und einer Therapie besteht darin, Selbstwertgefühl und Eigenwertgefühl zu entwickeln, ohne immer für andere da sein zu müssen, das heißt, ohne ständig anderen zu helfen.
Bedenken Sie als Pfleger, Altenpfleger oder Krankenschwester immer auf Ihre Bedürfnisse zu achten und eine professionelle Distanz zu wahren um sich und den Patienten langfristig professionell zu helfen.